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    Die Freiheit des Nichtstuns - Freiburger Wissenschaftler erforschen die Muße

    Von Christine Süß-Demuth (epd)

    Wer wünscht sich das nicht: Zeit ohne Pflichten und Zwänge, Freiraum für Denken und Erfahrungen. Muße - das bedeutet mehr als einfach nur Chillen oder Relaxen.

    "Muße ist ein freies Verweilen in der Zeit." So beschreibt es der Germanist Peter Philipp Riedl. Der Professor managt den Sonderforschungsbereich "Muße" an der Universität Freiburg, in dem Literaturwissenschaftler, Soziologen, Ethnologen, Psychologen, Mediziner, Philosophen und Theologen vier Jahre lang bis Ende 2016 interdisziplinär arbeiten.

    Beine hochgelegt auf den Schreibtisch, eine Tasse Tee mit Blick aus dem Fenster: Wie muss man sich einen Muße-Forscher vorstellen? Freiräume der Muße im Wissenschaftsbetrieb gehören dazu, ist sich Riedl sicher. Aber auch wenn Wissenschaftler zum Thema forschen, frei von Zeitzwängen sind sie nicht, auch sie müssen Ergebnisse ihrer Forschung präsentieren. Ihr Auftrag: Eine Kulturgeschichte der Muße zu entwickeln.

    Bereits in der Antike war die schöpferische Muße im Gegensatz zur Arbeit ein wichtiges Thema. Aristoteles schrieb: Es gilt als ausgemacht, dass die Glückseligkeit sich in der Muße findet. Ein Grund für die Freiburger Forscher, die Muße als Lebensform in der Spätantike zu erforschen.

    Aber die Wissenschaftler interessieren sich auch für das Heute, etwa für Zeiten der Muße in der Schule. Ethnologen untersuchen Praktiken freier Zeit in zwei bäuerlichen Gesellschaften in Frankreich und Namibia. Erforscht wird etwa auch die Inszenierung der Muße in architektonisch gestalteten Räumen als Heilmittel für seelische Gesundheit. Wer von den Mußeexperten jetzt allerdings praktische Tipps erwartet, wird enttäuscht: "Wir sehen unsere Aufgabe nicht als Lebensratgeber", sagt Riedl. "Wir wollen lediglich einen Debattenbeitrag leisten." Die aktuelle Brisanz sieht der Forscher in der Zeitverdichtung, etwa beim Multitasking. "Das tut den Menschen und der Ökonomie nicht gut", ist er überzeugt. Muße sei letztlich auch eine gesellschaftspolitische Frage: Wie haben wir unser Leben organisiert, wie ist es strukturiert, ist es vielleicht doch nicht so unserem Menschsein angemessen wie es sollte?

    Mit Kategorien von Freizeit, Faulheit oder Müßiggang lässt sich Muße nicht ausreichend beschreiben. "Wer Muße hat, ist frei davon, etwas zu müssen", beschreibt es der Freiburger Professor Günter Figal: Wer mit Muße seiner Arbeit nachgehe, unterstehe keinem Zwang und müsse keine bestimmten Erwartungen erfüllen. Muße schaffe damit den Freiraum, um kreativ zu sein. Hetze, überstürzende Eilfertigkeit, nervöser Eifer seien damit unvereinbar. "Wir alle brauchen Muße oder mehr Muße, wir vermissen sie", ist seine Erfahrung. Eigens dafür wurden Räume gebaut und eingerichtet: Akademien, Eremitagen, Landsitze, Teehäuser und Gärten, Bäder und Cafés. Doch eine Mußegarantie gibt es an solchen Orten nicht.

    "Bei Muße geht es nicht ums Nichtstun, Müßiggang oder gar Langeweile, sondern Muße ist ein Auf-sich-selbst-konzentrieren", sagt der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri: "Muße ist erfüllte und erfüllende Zeit - nur eben nicht sofort verwertbar."

     

    Wir danken dem epd für das Veröffentlichungsrecht dieses Artikels.

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