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    Bin ich gut genug? - Leben aus Gnade

    Von Pfarrer Dr. Christian Ferber, Leiter Projektbüro Reformation der EKHN

    Der Blick in den Spiegel am Morgen kann manchmal ernüchtern. Nicht nur ein von mancher Falte und Furche durchzogenes Gesicht blickt da mürrisch zurück, sondern manchmal auch unschöne Momentaufnahmen der eigenen Biographie: Der ungelöste Streit mit den älter werdenden Eltern; der Konflikt mit der Kollegin im Büro, den auch das x-te Gespräch nicht zu lösen vermochte; Kinder, die mehr und mehr ihre eigenen Wege gehen und mit ihrem zähem Widerstand müde gemacht haben. „Bin ich gut genug?“ – diese Frage bohrt sich dann manchmal wie ein Stachel in die Gedanken und Gefühle – und das Gesicht im Spiegel, das zurückschaut, gibt keine wirkliche Antwort darauf.

    In einer von hohen Eigen- und Fremderwartungen geprägten Gesellschaft ist die Frage nach dem ´Gut genug` stets präsent, ob bewusst oder unbewusst. Die technischen Optimierungserfolge unserer Wissenschafts- und Informationsgesellschaft suggerieren mehr und mehr – wir können uns selbst helfen. In diesem Zuge übersetzt eine ganze Printreihe von Ratgeberliteratur, die wöchentlich neu in Zeitungskiosken, Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen zu haben ist, das persönliche Scheitern in die Aufgabe sich selbst zu optimieren. Insofern hat unsere Gesellschaft das Münchhausenbeispiel wie keine andere vor ihr kultiviert: „Zieh dich am eigenen Schopf aus dem Sumpf.“

    Was aber schon zu Zeiten des Münchhausen eine Lügengeschichte war, gewinnt durch moderne Marketingstrategien nicht mehr an Wahrheit. Der unversöhnliche innere Dialog mit den eigenen Grenzen und Schwächen wie Augenblicke des unvermeidlichen Scheiterns, sie gehören genauso zum Leben dazu, wie die Momente der Stärke und des Gelingens. Der Optimierung des Individuums sind Grenzen gesetzt, Gott sei Dank! Das mag zunächst fremd und unattraktiv klingen, weil es der Vorstellung von der eigenen Machbarkeit in die Parade fährt. Und doch erinnern die unbequemen eigenen Grenzen daran, dass wir in vielen wesentlichen Momenten des menschlichen Lebens die Dinge nicht in eigenen Händen haben: Wir haben uns nicht selbst geboren, wir werden von einer Mutter geboren. Wir haben es nicht immer in der Hand, dass sich uns andere Menschen freundschaftlich zuneigen. Die Liebe eines Partners kriegen wir geschenkt. Wesentliche Momente und Augenblicke, die das Leben wertvoll und kostbar machen, sind uns entzogen.

    Insofern ist es eine bis heute wahre Einsicht des protestantischen Glaubens, dass wir aus Momenten der Gnade leben. ´Gnade` - dieses Wort wirkt zunächst altertümlich und fremd. Und doch ist es Gnade, wenn Menschen uns die Hand reichen, wenn Liebe unser Herz berührt und wir Verzeihung dort erfahren, wo sie nicht verdient wurde. Wo die Gnade so konkret unser Leben berührt und reich macht, da blüht unverhofft Freude auf; manchmal sogar Dankbarkeit. Aber dieser Dank zielt nicht ab auf ein vermeintlich gütigen Schicksals oder das Leben generell, das es zufälligerweise gut mit mir meint. Sondern diese Hoffnung und dieser Dank sind aus christlicher Sicht auf Gott hin ausgerichtet und zugleich in ihm verankert. Das Geschenk meines Lebens ist nicht launenhaft auf Zufall oder Schicksal bezogen. Sondern es darf sich, in allem was mir widerfährt – auch in meinem Scheitern -  im Raum von Gottes Liebe entfalten. Und das macht dann einen gehörigen Unterschied. Denn dann kann ich eine aktive Haltung zu meinen eigenen Grenzen und Fehlern gewinnen. Ich muss nicht lieblos alles selbst lösen. Ich darf mir sagen lassen: Ich darf leben, so wie ich bin. Grenzen, Fehler und Makel gehören dazu, derer sich Gott gnädig annimmt. Gott vergibt. Dadurch wird etwas Neues möglich: Eine aktive, liebevolle Annahme der eigenen Grenzen –  dies ist das christliche Gegenmodell zu den allgegenwärtigen Optimierungstendenzen unserer Tage. „Bin ich gut genug?“ – Ja, weil ich bewusst aus Gott leben darf, aus seiner liebevollen Gnade.

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